Als die „schlimmste humanitäre Krise der Welt“ betiteln die Vereinten Nationen die aktuelle Situation im Jemen. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung ist von der Krise im Jemen betroffen und ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Seit dem Kriegsausbruch Anfang des Jahres 2015 sind es zunehmend Zivilist:innen, die zu leiden haben. (Quelle: Süddeutsche Zeitung)
Glückliches Arabien?
“Arabia Felix” oder “Glückliches Arabien” war einst der Name der Römer für das südarabische Land Jemen. Im Nahen Osten und am südwestlichen Ende der arabischen Halbinsel gelegen, ist das Land an die Handelsrouten am Eingang des Roten Meeres angebunden. Die einstige Handelsnation versorgte lange Zeit weite Teile der Welt mit kostbaren Gütern wie Weihrauch, Myrrhe, Gewürzen und Kaffee.
Doch in der Kolonialzeit wurde das Land gespalten. Bereits im 16. Jahrhundert wurden Teile des Gebiets zeitweise von Portugiesen besetzt. Später, im Jahr 1839 bis ins Jahr 1967, war der Süden Jemens vom britischen Reich besetzt, während der Norden Jemens wiederum bis nach dem ersten Weltkrieg dem Einfluss des osmanischen Reichs unterlag. Die Vereinigung Jemens erfolgte erst im Jahr 1990, ganz im Widerwillen des Südens. Jahrelange, zum Teil brutale Auseinandersetzungen zwischen dem Norden und dem Süden des Landes zeichneten sich in der neuen Koalition ab. Präsident Ali Abdallah Salih, der seit 1978 den Norden Jemens regierte, übernahm nach der Wiedervereinigung die Regierungsgeschäfte für das gesamte Land. Jegliche Ausrufe des Südens zur Unabhängigkeit wurden unterdrückt und hohe staatliche Positionen im Süden mit Nordjemenit:innen besetzt. (Quelle: Britannica)
Die Krise im Jemen: Eine unübersichtliche Situation
Die aktuelle Situation im Jemen resultiert aus einer Reihe von Versprechungen, die nicht erfüllt worden sind, sowie der langjährigen Unterdrückung zahlreicher Stimmen. Die Unruhen im Land gipfelten im Arabischen Frühling 2011 in einer Reihe von Protestwellen, in welchen die Langzeitpräsidentschaft von Ali Abdallah Salih in Frage gestellt wurde. Das Amt des Übergangspräsidenten übernahm daraufhin im Jahr 2012 Salihs Stellvertreter Abd Rabbo Mansur Hadi. Jedoch wurden auch in der Hadi-Regierung gewünschte Maßnahmen kaum umgesetzt und Ex-Präsident Salih immer noch als Chef der Regierungspartei „Allgemeiner Volkskongress“ in der Regierung gehalten.
Die Huthis, eine politisch-militärische Bewegung der Zaidit:innen (ein schiitischer Zweig innerhalb des Islam), wurden durch die Regierung Salihs schon in der Vergangenheit lange außen vor gelassen. Bereits in den Jahren 2004 bis 2010 kam es daher zu brutalen Auseinandersetzungen. Die Spannungen rund um die sunnitisch-orientierte Übergangsregierung von Präsident Hadi eskalierten im Jahr 2014. Die Huthis übernahmen in einer Koalition mit dem Ex-Präsidenten Salih die Hauptstadt Sanaa und zwangen die Hadi-Regierung zum Rücktritt. Im Jahr 2017 wurde Salih von den Huthis getötet, nachdem er sich für eine Einigung mit der Hadi-Regierung ausgesprochen hatte. (Quelle: BPB)
Die Hadi-Regierung flüchtete nach dessen Sturz 2015 in das sunnitisch geprägte Saudi-Arabien, wo sie auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wird. Seitdem versucht sie die Macht mittels kleinerer Oppositionsgruppen im Jemen und mit Unterstützung aus dem Ausland zurückzuerlangen. Der von den Schiit:innen geprägte Iran wiederum steht auf der Seite der Huthis, was zu einer Zwei-Fronten Situation in diesem Krieg führt.
Der Konflikt innerhalb des Islams zwischen Schiit:innen und Sunnit:innen besteht schon seit Jahrhunderten in der muslimischen Welt, auch über den Jemen hinaus. Der Kern des Konflikts liegt bei der Frage der Nachfolge des Propheten Mohammeds. Während die Schiit:innenen davon überzeugt sind, Mohammeds Schwiegersohn Ali sei als Familienangehöriger der wahre Nachfolger des Propheten, so glauben die Sunnit:innen, dass die Nachfolge auf Vertrauen beruhe und der Nachfolger daher gewählt werden könne. (Mehr dazu: Euronews)
Am Ende sind es die Bürger:innen Jemens, die unter der Krise am meisten leiden.
Mehr als ein Zwei-Fronten Krieg
Der Südübergangsrat, der sich 2017 bildete, steht für den Wunsch der Unabhängigkeit des Südens und formt so eine weitere Partei im unerbittlichen Krieg. Das vielversprechende Riad-Abkommen zwischen der Hadi-Regierung in Saudi-Arabien und dem Südübergangsrat im Jahr 2019, das zu einer Einigung und Zusammenarbeit führen sollte, schlug aufgrund vager Formulierungen und unzureichender Einbindung fehl. Der Südübergangsrat rief daraufhin die Selbstverwaltung des Südens aus. (Quelle: International Crisis Group)
Doch nicht nur der Süden profitiert von der Kriegssituation und dem Fokus der Regierung auf den Huthis im Norden des Landes. Die dschihadistische Gruppierung AQAP (“al-Qaeda in the Arabian Peninsula” oder auf Deutsch “al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel”) sieht einen Vorteil in der Krise im Jemen. Die sunnitisch geprägte Organisation AQAP gewinnt durch die Unruhen, die die Schiit:innen provozieren, mehr Anhänger und politischen Einfluss für sich.
Eine Gruppe intern vertriebener Kinder im Jemen, die von ShelterBox unterstützt werden.
Ein Ende der Krise?
Saudi-Arabiens Bereitschaft, weiterhin wichtige Ressourcen in diesem Krieg aufzuwenden, gerät an seine Grenzen, gerade auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Situation des Landes aufgrund der COVID-19 Pandemie und gefallener Ölpreise im Jahr 2020. Auch die Koalition mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ist brüchig, da Saudi-Arabien dessen Unterstützung des Südübergangsrates im Jemen nicht gutheißen. Für Saudi-Arabien steht deshalb ein gesichtswahrendes Ende der eigenen Beteiligung in dieser Krise an erster Stelle. Darum engagiert sich das Königreich zunehmend auf diplomatischem Wege. (Quelle: BPB)
Präsident Hadi jedoch befürchtet seinen vollständigen Machtverlust bei erfolgreichen Verhandlungen und auch die Huthis gehen keine Kompromisse ein. Die Vereinten Nationen versuchen den Einbezug möglichst vieler Gruppen in der Krise zu ermöglichen und so das Kriegsende zu erreichen. Doch selbst im Falle einer Einigung werden sich einzelne Gruppierungen wie AQAP, die von diesem Krieg nur profitieren, vermutlich an keine Regeln halten. (Quelle: BPB)
Ein Waffenstillstand, der alle Parteien zufriedenstellt, scheint utopisch. Anschläge auf die Infrastruktur und die Handelswege durch oppositionelle Gruppen im Land sollen den Machtaufstieg der Huthis verhindern, fördern jedoch auch Nahrungsknappheit und Arbeitslosigkeit. Saudi-Arabiens Bombardierungen im Norden Jemens, ebenfalls mit dem Ziel der Schwächung der Huthis, schadet vor allem den Einwohnern. Diese sind bereits seit Jahren die Leidtragenden dieser Krise im Jemen. (Quelle: BPB)
In einer Versammlung der lokalen Campleiter:innen werden die Maßnahmen zur Bildung lokaler Gemeinschaftsausschüsse besprochen.
ShelterBox im Jemen
Seit dem Jahr 2021 ist ShelterBox im Jemen aktiv im Einsatz. Zusammen mit der Organisation „Benevolence Coalation for Humanitarian Relief“ werden vertriebene Familien im Bezirk Marib unterstützt.
Wir arbeiten zusammen mit BCHR (Benevolence Coalation for Humanitarian Relief), um bedrohten Communitys zu helfen. Gemeinsam mit unserem Partner können wir 1.350 vertriebene Familien im Bezirk Marib unterstützen.
Wir werden neu vertriebenen Familien ein UN-Familienzelt zur Verfügung stellen, während Familien, die in einer bereits beschädigten Unterkunft wohnen, mit Planen und Seilen ausgestattet werden, mit denen sie die Möglichkeit haben, ihre Häuser zu reparieren. Alle Familien werden Wasserfilter, Decken, Matratzen, Solarlampen, Moskitonetze, Wasserbehälter und Küchenutensilien erhalten.
Außerdem werden wir eine Waschschüssel, Seife und Schutzmasken zur Verfügung stellen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Lesen Sie hier mehr Infos zum ShelterBox Einsatz im Jemen oder lesen Sie Eshraqs Geschichte.
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