Gewalt und Armut in Kamerun
Die Gewalt der Boko Haram in Nigeria hat Auswirkungen bis in den Kamerun und Tschad. In überfüllten Lagern wie dem Minawao Camp, sind viele Familien von humanitärer Hilfe abhängig.
von Zoey Weddige, 7. September 2020
Ursprüngliche Case Study auf Englisch, übersetzt von Zoey Weddige
Seit fast zehn Jahren befindet sich in Kamerun eines der größten Flüchtlingslager in der zentralafrikanischen Subregion. Jede Woche registriert das UNHCR eine große Zahl von Neuankömmlingen, die wegen der unsicheren Lage aus ihrer Heimat geflohen sind. Im Minawao Camp gibt es so viele Menschen mit erschütternden Geschichten. Eine von ihnen ist eine mutige Frau namens Fanne.
Fanne, die gerade erst 30 Jahre alt ist, wurde in frühen Teenagerjahren in ihrem Geburtsland Nigeria verheiratet. Sie war noch nie zuvor an einen anderen Ort und verbrachte ihr ganzes Leben in ihrem Heimatdorf mit ihrer Gemeinde. Jetzt, als achtfache Mutter, lebt sie im Minawao Camp, nachdem sie vor der Gewalt in Nigeria geflohen war. In einem Gespräch mit der IEDA Relief, ShelterBox‘s langjährigen Partner in Kamerun, erzählte Fanne, dass sie auf ihrer Flucht nach Minawao vor vielen Herausforderungen stand. Als sie ihr Zuhause verließ, hatte sie leider keine andere Wahl, als ihren körperlich beeinträchtigten Ehemann zurückzulassen.
“Ich bin wegen Boko Haram geflohen. Mein Mann und ich, seine zweite Frau und meine Kinder liefen in ein Dorf namens Banki. In Banki wurden wir erneut gejagt, und ich ließ meinen Mann zurück, wie er es von mir verlangt hatte. Er sagte mir, ich solle nach Minawao gehen, da er uns wegen seiner Behinderung nicht mehr folgen könne, denn er verlor während des Angriffs ein Bein. Er sollte einige Zeit später zu uns stoßen, was ihm aber bis jetzt nicht möglich war. Wir erreichten ein Dorf in der Nähe der Grenze und wurden von der kamerunischen Armee aufgehalten, die uns dann nach Minawao brachte. Damals habe ich sehr gelitten, weil ich nichts zu essen hatte und keine Nachrichten von meinem Mann hörte.”
Die erst 30-jährige Fanne ist mit ihren acht Kindern aus Nigeria vor Boko Haram nach Kamerun geflohen und lebt nun im Minawao Flüchtlingslager.
Fanne konzentrierte sich darauf, sich um ihre Kinder zu kümmern, die noch sehr jung sind. Ihre Familie wurde in das Auffangzentrum gebracht, wo ein völlig anderes Leben auf sie wartete. Ihr neues Zuhause war so anders, als sie es sich vorgestellt hatte und gewohnt war. “Wir wurden in die Übergangsunterkunft gebracht, wo bereits so viele Menschen unter schwierigen Bedingungen lebten. In meinem Dorf hatte mein Mann zwei Häuser gebaut, eines für meine Kinder und mich und ein weiteres für seine zweite Frau. Mein Haus war so schön mit drei Zimmern, einem Wohnzimmer und einer großen Küche. Alle meine Kinder konnten nachts bequem darin schlafen, und der Älteste ging sogar zur Schule. Tatsächlich hatte ich alles, was eine Frau braucht, um sich in ihrem Haus wohl zu fühlen. Aber meine neue Realität war so furchtbar.“
Als Fanne, so sagte sie, im Sammelzentrum ankam, hatte sie nichts außer der Kleidung, die sie trug und zudem hatte sie ihren Mann zurücklassen müssen. “Bevor ich zum Sammelzentrum kam, war mir nicht klar, was vor sich ging. Ich hatte nur Angst davor, wegzulaufen und mit einer schrecklichen Realität konfrontiert zu werden. Alle meine Besitztümer musste ich zurücklassen. Ich hatte keine offiziellen Dokumente, kein Essen, kein Geld, keine Kleidung. Ich hatte alles verloren.”
Fannes jüngstes Kind ist erst neun Monate alt. Ihr ältestes Kind konnte in Nigeria zur Schule gehen. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass sie die Möglichkeit hat, alle ihre Kinder zur Schule zu schicken.
Fanne gehört jetzt zu Tausenden von Frauen, die in Kamerun einen Flüchtlingsstatus haben. Manchmal weinte sie nachts, aber mit der Zeit, so Fanne, habe sie ihre Situation endlich akzeptiert. “Ich erinnere mich daran, dass ich auf alle wütend war, als ob jemand im Flüchtlingslager für mein Unglück verantwortlich wäre. Als ich aus Nigeria floh, verlor ich auf dem Weg eine meiner Töchter, aber Gott sei Dank fand ich sie Wochen später im Sammelzentrum wieder. Die Lebensbedingungen waren nicht die besten, sodass meine Matratze eines der Dinge war, die ich am meisten vermisste. Wir schliefen auf Bodenmatten, die nicht bequem waren. Wir verbrachten drei Monate im Auffangzentrum. Bevor wir dorthin kamen, schliefen wir an jedem Zufluchtsort, den wir entlang der Straße fanden, mussten aber morgens immer weiterziehen. Ich hatte nichts zu essen; ich lief nur und rannte zeitweise. Es war das erste Mal, dass ich mit meinen Kindern ein solches Leid erlebte. Wissen Sie, das ist ein unbeschreibliches Gefühl; man kann es sich nicht vorstellen oder verstehen, es sei denn, es passiert einem selbst.”
Im Juni 2020 erhielt Fanne Hilfsgüter von ShelterBox. Die Familie bekam ein Zelt und andere wichtige Haushaltsgegenstände, um sie beim Wiederaufbau ihres Lebens zu unterstützen. Fanne zog von der Sammelunterkunft in ihr neues Zuhause, wo sich ihr Leben, nach ihrer Aussage, deutlich verbesserte.
Nichtsdestotrotz ist sie alleinerziehende Mutter von kleinen Kindern, darunter ein Baby von nur neun Monaten, sodass es für sie nicht leicht ist, Arbeit zu finden. Sie kennt nur Hausarbeit und Landwirtschaft, aber sie muss sich auch um ihre kleinen Kinder kümmern. “Jeder Tag beinhaltet dieselbe Routine hier in Minawao. Um mich zu beschäftigen, gehe ich in den Busch, um Brennholz für den Verkauf zu sammeln. Mit dem Geld, das ich durch den Verkauf erhalte, kann ich ein paar Lebensmittel erwerben. Abends besuche ich gewöhnlich Freunde und Nachbarn und unterhalte mich mit ihnen, bevor ich zu Bett gehe.”
Die von IEDA Relief und ShelterBox geleistete Hilfe unterstützt Fanne, ihr Leben wieder aufzubauen, mit einigen notwendigen Materialien für den Alltag, damit sie weniger abhängig von der Gemeinschaft ist. “Ich bekam ein Zelt, Decken, Solarlampen, Eimer, Wasserkanister und vieles mehr. Diese Gegenstände halfen mir sehr, Wasser zu sammeln, die Kinder zuzudecken und nachts das Haus zu beleuchten.”
Ankunft der Hilfsgüter im Juni 2020, welche im Minawao Camp selbst und auch außerhalb an die Vertriebenen und Flüchtlinge ausgegeben wurden.
Fanne schafft es, alles Wichtige für ihre Familie zu besorgen, aber das Coronavirus hat vieles erschwert. Wie alle anderen auf der Welt ist sie von der Coronakrise betroffen und schützt sich selbst, indem sie überfüllte Orte meidet. Sie hat eine neue Unterkunft, sodass sie ihre Familie zu Hause behalten kann. “Alle sprechen über das Coronavirus. Dank der gespendeten Hilfsgüter können wir viele überfüllte Orte meiden, indem wir im Zelt bleiben und uns mehrmals am Tag die Hände waschen. Ich reinige auch die Unterkunft, wenn ich Gäste hatte. Es ist nicht leicht, alle vorgeschriebenen Maßnahmen wie die Abstandsregeln einzuhalten, aber ich versuche es zumindest.”
Fanne sagte, sie und ihre Kinder hätten in ihrer neuen Bleibe ein neues Leben begonnen: “Es stimmt, dass unsere jetzige Unterkunft besser ist als das Sammelzentrum, aber Zuhause ist Zuhause. Als ich noch in Nigeria war, half mir mein Mann bei allem und sorgte für uns. In meinem Zelt fühle ich mich sicher, aber es ist trotzdem anders als mein altes Zuhause. Das Zuhause ist für jeden wichtig, denn es ist der Ort, an dem man nach einem anstrengenden Tag etwas Ruhe findet. Es ist ein Zufluchtsort, er schützt vor Regen, Sonne und Wind.”
Seit sie alles was sie besaß zurücklassen musste, hat sie keine wertvollen Dinge oder Werkzeuge mehr. Fanne sagte, der wichtigste Gegenstand für sie sei nun der Topf, den sie zum Kochen benutzt. Alles, was sie für ihre Kinder tun kann, ist, gutes Essen zu kochen, wenn es ihr möglich ist. “Mein wertvollster Besitz ist mein Topf, den ich zum Kochen verwende. Das ist das Einzige, worauf ich nicht verzichten kann; denn so können meine Kinder essen.”
Insgesamt wurden allein im Juni dieses Jahres 743 Zelte, 560 Shelter Kits, 2000 Planen mit Seilen sowie Haushaltsgegenstände (Küchensets, Decken, Wasserkanister und Solarlampen) von IDEA Relief und ShelterBox verteilt.
Fanne denkt jetzt darüber nach, ihre Lebenssituation zu verbessern. Sie ist sich bewusst, dass sie Geld verdienen muss und träumt von einem besseren Leben, nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Kinder. Sie sagt, die Kinder müssen zur Schule gehen. Sie selbst muss ein Geschäft aufbauen, das sie von zu Hause führen kann – das ist ihr Ansporn. Sie möchte nicht zu weit vom Zuhause entfernt sein, weil die Kinder noch zu jung sind, um allein gelassen zu werden. “Ich wünschte, ich könnte einen Weg finden meine Kinder zur Schule zu schicken. Dadurch hätten sie die Möglichkeit, etwas aus ihrem Leben zu machen und mir ein wenig zu helfen. Ich selbst würde gerne lernen, wie man Kleider näht. Dann könnte ich von zu Hause aus arbeiten und mich gleichzeitig um meine Kinder kümmern.”
Sie wollen ShelterBox dabei unterstützen Fanne und andere Familien auch weiterhin mit lebensnotwendigen Hilfsgütern zu versorgen? Spenden Sie einfach und schnell über unser Onlineformular.
Die Gewalt der Boko Haram in Nigeria hat Auswirkungen bis in den Kamerun und Tschad. In überfüllten Lagern wie dem Minawao Camp, sind viele Familien von humanitärer Hilfe abhängig.
Der gewaltsame Aufstieg von Boko Haram begann im Jahr 2009, als die extremistische Gruppe gegen die nigerianische Regierung rebellierte. Seitdem hat sich der Konflikt auf die Nachbarländer ausgeweitet.
Fatima musste aus ihrem Zuhause in Nigeria aufgrund von gewalttätigen Angriffen der extremistischen Gruppe Boko Haram fliehen. Heute lebt sie im Minawao Flüchtlingslager in Kamerun.
von Zaha Al Ghusain, 7. September 2020
von Zoey Weddige, 7. September 2020
von Zoey Weddige, 7. September 2020