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Binnenvertriebene: Die vergessenen Millionen

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Binnenvertriebene: Die vergessenen Millionen

von Benjamin Scheder Bieschin, 1. September 2021

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Zahlreiche Bilder von überfüllten Booten auf dem Mittelmeer und den unzumutbaren Zuständen in Flüchtlingscamps gehen tagtäglich um die Welt. Kaum Präsenz in den Medien wird jedoch denen zuteil, die aus ihrer Heimat vertrieben werden, ihr eigenes Land jedoch nicht verlassen möchten oder können. – Eine Momentaufnahme von der Ukraine bis nach Mosambik.

Verschiedene Ausprägungsformen des Phänomens “Flucht” gibt es schon seit Jahrtausenden. Von Völkerwanderungen über kriegsbedingte Flucht bis hin zu den aktuellsten Flüchtlingsströmen – aus unterschiedlichsten Gründen verlassen Menschen ihre Heimat. Aber ab wann gilt man eigentlich als Flüchtling*?  Nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 gelten Personen als Flüchtlinge, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse**, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befinden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen”. (Quelle:  UNHCR) Der direkte Bezug zu Kriegen oder Konflikten wird hierbei nicht hergestellt. Der Begriff “Kriegsflüchtling” ist völkerrechtlich nicht klar geschützt  und die Definitionsgrenzen zwischen den einzelnen Erwähnungen sind oft fließend. In einem Punkt jedoch stimmen die meisten überein: als Flüchtling gilt erst, wer eine international anerkannte Grenze überquert.

In zahlreichen deutschen Medien werden häufig sehr schockierende Bilder und Schicksale von Menschen aus aller Welt auf der Flucht und bei der Ankunft geteilt. Dies wird häufig im Kontext der hiesigen Willkommenskultur oder Fremdenfeindlichkeit genannt oder diskutiert. Aber die Flüchtlingsströme in Richtung der Industrienationen  sind nur die Spitze des Eisberges – weltweit sind über 26,3 Millionen Menschen auf der Flucht. (Quelle: UNHCR) Viele Flüchtlinge träumen von einem besseren Leben in Deutschland oder einem anderen europäischen Land. Aber auch ein großer Teil der Vertriebenen möchte in der Nähe seiner Heimat bleiben, oder kann sich die Flucht in das weit entfernte Europa nicht leisten.  Aus diesen und weiteren Gründen resultiert, dass im weltweiten Vergleich am meisten Flüchtlinge von der Türkei (3,6 Mio), Kolumbien (1,8 Mio.) und Pakistan (1,4 Mio) aufgenommen werden, unmittelbaren Nachbarstaaten der Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen.  (Quelle: UNO Flüchtlingshilfe)

 

*Bei ShelterBox sind wir dazu übergegangen i. d. R. den Begriff „Geflüchtete“ statt „Flüchtlinge“ zu verwenden. In diesem Artikel wird dennoch der Begriff „Flüchtlinge“ verwendet, da dieser ein international geschützter Begriff ist, der in der Genfer Flüchtlingskonvention definiert ist und mit gewissen Rechten einhergeht. Dabei werden Binnenvertriebene explizit nicht mit eingeschlossen. Mehr zum Unterschied zwischen den Begriffen auch bei PRO ASYL.

** In vielen (Menschen-) Rechtsdokumenten findet sich nach wie vor der Begriff „Rasse“. Diese Formulierung klingt so, als ob es tatsächlich verschiedene „menschliche Rassen“ gäbe. Dies ist falsch und kann Vorschub dazu leisten, Menschen anhand von tatsächlichen oder vermeintlichen äußeren Merkmalen zu kategorisieren. Um dies zu vermeiden, ist der Ausdruck „Verfolgung aus rassistischen Motiven“ vorzuziehen. (Quelle: Institut für Menschenrechte)

Binnenvertriebene: Eine Vertriebene Frau im Norden Syriens erhält Hilfsgüter von ShelterBox

Eine vertriebene Frau im Norden von Syrien (2020).

Flüchtlinge und Binnenvertriebene

Diese Zahl der 26,3 Millionen Flüchtlinge beziffert aber lange nicht alle Menschen, die auf der Flucht sind. Mehr als doppelt so viele Menschen – Ende 2020 waren es 55 Millionen Menschen (Quelle: IDMC) – haben ihren Wohnort und ihre Heimat hinter sich gelassen, ohne eine Ländergrenze zu überqueren.  Aktuell gibt es beispielsweise 6,7 Millionen syrische Flüchtlinge, hinzu kommt noch einmal die gleiche Anzahl an Menschen, die ihren Wohnort verlassen haben, aber in Syrien geblieben sind und damit nicht als Flüchtlinge, sondern als Binnenvertriebene oder IDPs (Die Abkürzung des englischen Fachbegriffs „Internally Displaced People“) gezählt werden. (Quelle: UNO Flüchtlingshilfe). In Kolumbien gibt es sogar mehr als viermal so viele Binnenvertriebene  (8,3 Millionen) wie Flüchtlinge (1,8 Millionen). (Quelle: UNO Flüchtlingshilfe)

Der seit Jahren schwelende Konflikt in der Ukraine hat bereits über 1,6 Millionen Menschen zu Binnenvertriebenen gemacht. (Quelle: UNHCR) Viele von ihnen sind bei Verwandten in den angrenzenden ukrainischen Regionen  untergekommen, andere wiederum versuchen, sich ein neues Leben in einer der größeren Städte aufzubauen. Das Durchschnittseinkommen ist gering und die Ersparnisse sind häufig schnell aufgebraucht, erst recht in den älteren Generationen. Die meisten Rentner:innen sind etwa auf ihre Rente angewiesen, die sie sich durch eine frühere Beschäftigung in der Ukraine erarbeitet habe. Aufgrund des starken Währungsverfalls ist die Rente eh schon sehr niedrig, zudem ist diese auch nur über einen in der Ukraine angemeldeten Wohnsitz beziehbar. Für alle Rentner:innen in der Ostukraine, die nicht ihre Heimat verlassen haben, bedeutet dies regelmäßige Reisen über Grenzposten an der Kontaktlinie in die von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete, um ihre Rente zu beziehen – lange Wartezeiten garantiert. (Quelle: FAZ) – Ein weiterer Grund um die Heimat zu verlassen.

 

Zivilisten an dem Grenzübergang Stanytsia Luhanska ( OSCE/Viktor Konopkin)

Zivilist:innen an dem Grenzübergang Stanytsia Luhanska © OSCE/ Viktor Konopkin

Andere Konfliktregionen

Nicht nur in der Ukraine kämpfen Binnenvertriebene um ihr Überleben und ein bessere Zukunft in ihrem eigenen Land. So entwickelt sich aktuell beispielsweise der Konflikt im Norden Mosambiks zu einer der weltweit am schnellsten wachsenden Vertreibungskrisen. Bereits seit Oktober 2017 verübt eine islamistische Gruppe gewalttätige Angriffe auf Zivilisten in der nördlichen Provinz Cabo Delgado. Die anhaltende Gewalt erhöht die Unsicherheit und verursacht zahlreiche Vertreibungen in der Region. Fast 600.000 Menschen sind so im Jahre 2020  aus Ihrer Heimat vertrieben worden. (Quelle: IDMC) In Syrien sind sogar etwa 6,7 Millionen Menschen als Binnenvertriebene registriert (Quelle: UNO Flüchtlingshilfe) – das sind mehr Menschen als Einwohner:innen Dänemarks. Nach Kolumbien und Syrien – mit 8,3, bzw. 6,7 Millionen – wird die Liste der Länder mit den meisten Binnenvertriebenen Ende 2020 von der Demokratischen Republik Kongo (5,2 Millionen), dem Jemen (4 Millionen) und Somalia (3 Millionen) angeführt. (Quelle: UNO Flüchtlingshilfe)

 

Binnenvertriebne: Ein Kind in Syrien mit einer Solarlampe von ShelterBox

Ein Kind in Syrien mit einer Solarlampe von ShelterBox.

 

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ShelterBox hat die Vision von einer Welt, in der keine Familie ohne Schutz und Obdach ist. Für uns stehen Familien an erster Stelle und wir arbeiten unerlässlich daran, möglichst vielen der von Konflikten oder Katastrophen betroffenen Communitys zu unterstützen. Dabei werden nicht nur Menschen, die in andere Länder geflohen sind, sondern auch viele Binnenvertriebene unterstützt. Mit unserem Partner ReliefAid wurden so beispielsweise Familien in Idlib (Syrien) mit Hilfsgütern (z.B. Planen, Seile, Decken oder Solarlampen) unterstützt. Außerdem unterstützt ShelterBox Binnenvertriebene beispielsweise in den Ländern des Tschad-Beckens (Nigeria, Kamerun, Niger, Tschad) und plant gerade einen Einsatz, um Menschen in Mosambik zu unterstützen.

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