Ursprünglicher Artikel auf Englisch von Philly Byrde, übersetzt von Zoey Weddige
Am 15. März 2011 erreichte der Arabische Frühling Syrien. Kurz danach eskalieren friedliche Proteste zu einem brutalen Konflikt, Regierungs- und Oppositionskräfte treffen aufeinander. Seitdem hat sich dieser Konflikt in eine scheinbar unlösbare regionale Krise verwandelt.
Hier erfahren Sie, was Sie 10 Jahre später darüber wissen müssen.
1. Der Syrien-Konflikt wütet schon fast so lange wie beide Weltkriege zusammen
August dieses Jahres wird der Syrien-Konflikt länger gedauert haben als die beiden Weltkriege zusammen (10 Jahre und 4 Monate).
Kein syrisches Kind unter 10 Jahren kann sich an Frieden im eigenen Land erinnern. Eine ganze Generation von Kindern sieht ihr Leben durch Verlust, Schmerz und Angst gezeichnet.
„Ich habe nicht erwartet, dass der Krieg so lange dauern würde, niemand hat das erwartet. Die vertriebenen Menschen hier in Nordsyrien sind von den Bedingungen erschöpft.“ – Nour, humanitärer Helfer bei ShelterBoxs Partner ReliefAid
Nichts als Zerstörung – Aleppo, 2015
2. Mehr als 12 Millionen Menschen wurden zur Flucht gezwungen
Rund 6,7 Millionen Menschen wurden innerhalb Syriens vertrieben, mindestens 6 Millionen sind in Nachbarländer und weiter geflohen.
Durch die ständige Verschiebung von Gebieten und Frontlinien müssen Familien immer wieder umziehen. Im Winter 2019-20 wurden in nur einem Monat rund 1 Million Menschen vertrieben, als die von der Regierung unterstützten Kräfte in Idlib, im Nordwesten Syriens, Gebiete zurückerobern wollten.
3. Das ist die größte Flüchtlingskrise der Welt
Mehr als ein Viertel der globalen Flüchtlingsbevölkerung sind Menschen, die im Zuge des Syrien-Konflikts vertrieben wurden.
Seit wir begonnen haben auf die Krise zu reagieren, hat ShelterBox Flüchtlinge im Irak, Libanon, Jordanien und Griechenland unterstützt.
„Ich möchte nach Hause nach Damaskus – mein geliebtes Zuhause. Menschen werden nicht zu Flüchtlingen, weil sie eine Wahl haben… sondern weil sie es müssen.“ – Der syrische Schneider Hoshang, aus einem Flüchtlingslager im Irak, 2015
Menschen werden nicht zu Flüchtlingen, weil sie eine Wahl haben, sondern weil sie es müssen. – Hoshang
4. Eine wachsende Finanzkrise macht das Leben in Syrien noch härter
Finanziell ist Syrien am Ende. Der Wert der syrischen Lira hat sich im Laufe des Syrien-Konflikts halbiert, und die weit verbreiteten Sanktionen beeinträchtigen den Geldfluss ins Land.
Treibstoff, Lebensmittel und Medikamente sind für Menschen, die ohnehin schon Probleme hatten, sich diese zu beschaffen, nun unerschwinglich. Die Kosten für einen durchschnittlichen Korb an Lebensmitteln sind zwischen Dezember 2019 und Dezember 2020 um 236% gestiegen (das 29-fache des Vorkrisenniveaus).
5. Circa 14% der Syrer haben keinen Zugang zu Strom
Laut einem Weltbank Bericht hatten 2018 14% der Menschen in Syrien keinen Zugang zu Strom – eine Zahl, die seit Ausbruch des Krieges immer weiter steigt.
Selbst diejenigen, die Strom in ihren Häusern haben, sind mit landesweiten Stromausfällen konfrontiert, wenn Pipelines und Kraftwerke angegriffen werden.
ShelterBox hat inzwischen mehr als 58.000 Solarlampen an vertriebene syrische Familien verteilt. Das reicht aus, um rund 580 Millionen Stunden Licht zu spenden und Aktivitäten wie Mahlzeiten, Spielen und Schularbeiten zu erleichtern.
6. Syrische Winter sind hart und unerbittlich
Die Nässe und Kälte der eisigen Winter kann eine unmittelbarere Bedrohung darstellen als der Konflikt selbst – wochenlange Minusgrade können für Familien, die mit nichts geflohen sind, tödlich sein.
Anfang 2021 zerstörten sintflutartige Regenfälle mehr als 10.000 Zelte, als Überschwemmungen die Lager im Nordwesten durchzogen.
„Die Eltern machen sich ständig Sorgen, dass ihre Kinder unter der Kälte leiden und krank werden.“ – ReliefAid-Helfer Mustafa
ShelterBox Hilfsgüter werden von einem LKW abgeladen, 2012.
7. Mehr als die Hälfte der Krankenhäuser in Syrien sind beschädigt oder zerstört
Bereits 2015 berichtete die WHO, dass fast 60% der Krankenhäuser in Syrien zerstört oder beschädigt wurden. Zudem war mehr als die Hälfte des medizinischen Personals des Landes geflohen oder getötet worden. Dies ist äußerst besorgniserregend, da sich das Coronavirus fast unkontrolliert im Land ausbreitet.
8. Eine COVID-19 Impfung könnte nur 3% der Bevölkerung erreichen
Das Coronavirus stellt in einem Land, das sich bereits im Krieg befindet, eine tödliche Bedrohung dar. Im Februar 2021 sagte ein WHO-Beamter, dass ein erster Impfstoff-Rollout möglicherweise nur 3% der syrischen Bevölkerung erreichen würde.
Die Maßnahmen, die wir zu Hause ergreifen, um sicher zu bleiben, wie z.B. weit verbreitete Lockdowns, social distancing und verbesserte Hygiene, sind in einem zerrissenen Land, in dem Millionen Menschen in Notunterkünften leben, fast unmöglich.
„Ich mache mir wegen des Coronavirus Sorgen aufgrund der schlechten Bedingungen, unter denen wir leben, und den riesigen Ansammlungen in den Lagern. Es können bis zu 1.000 Familien in einem Lager sein.“ – Abu, dessen Haus in Idlib im Jahr 2020 durch schweren Beschuss zerstört wurde
9. Eltern werden zu Lehrern während die Schulen in den Lockdown gehen
Schulunterricht wurde während des Krieges andauernd unterbrochen, da Familien immer wieder entwurzelt wurden und Gemeinschaftsräume wie Schulen in Notunterkünfte umgewandelt wurden.
Im letzten Jahr aber mussten die Schulen in den Lagern wegen der Ausbreitung von COVID-19 geschlossen werden, um zu verhindern, dass das Coronavirus in ganzen Gemeinden wütet.
„Ich habe versucht sie zu unterrichten, aber ich habe keine gute Möglichkeit sie zu unterrichten. Sie brauchen die Schule, um ihren Unterricht fortzusetzen. Die meiste Zeit haben sie gespielt – es ist besser für sie und für mich, wenn die Schule offen ist“ – Abo erzählt von den Auswirkungen des Versuchs, seine drei Söhne zu Hause zu unterrichten.
„Sie brauchen die Schule, um ihren Unterricht fortzusetzen. Die meiste Zeit haben sie gespielt – mit der offenen Schule ist es besser für sie und mich!“ – Abo
10. Es gibt Hoffnung, Einfallsreichtum und Widerstandsfähigkeit – sowohl in Syrien als auch darüber hinaus
Das Leben findet einen Weg. Geschäfte öffnen wieder, der Verkehr fließt, Kinder spielen und lachen. Inmitten der erschöpfenden Zerstörung und des Verlusts gibt es tägliche Erinnerungen an die Stärke der Syrer und deren Hoffnung für die Zukunft.
„Ich habe diese Blumen gekauft, um die Traurigkeit und diese schwierige Realität zu vergessen. Ich fühle mich optimistisch, wenn ich sie gieße oder anschaue.“ – ReliefAid-Helferin Bana teilt die Blumen auf ihrem Balkon in Idlib
„Ich bin stolz und fühle mich einigermaßen zufrieden, dass wir keine Hilfe mehr brauchen, dass ich meine Familie unterstützen kann“ – Maysa spricht über ihr Schuhgeschäft in einem Flüchtlingslager im Irak (2015)
„Ich versuche, mir und den Menschen, die ich liebe, Hoffnung zu geben. Ich versuche, mir einzureden, dass das Leben weitergehen wird und dass sich die Situation eines Tages verbessern wird – das Leben wird nicht immer so weitergehen.“ – Nour, ReliefAid
Menschen zu unterstützen, die in den Syrien-Konflikt verwickelt sind, ist die längste und größte Hilfsaktion in unserer 21-jährigen Geschichte. Wir haben inzwischen mehr als 400.000 Menschen geholfen, die durch die Krise vertrieben wurden.
Ihre Unterstützung hilft uns, für Familien da zu sein, deren Kämpfe vergessen sind – vielen Dank.
So können Sie helfen
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