Auf der Flucht vor Boko Haram in Kamerun

Esthers Geschichte

Weit im Norden von Kamerun befindet sich das größte Geflüchtetencamp des Landes. Gebettet in eine beeindruckende Landschaft, ist das Camp Minawao vor allem dafür bekannt, dass es Tausenden Flüchtenden und Binnenvertriebenen eine vorübergehende Heimat bietet.

Jede Woche kommen im Minawao Camp neue Opfer menschlicher Grausamkeiten an – vor allem viele, die vor der schrecklichen Gewalt des Boko Haram in Nigeria fliehen müssen. In dieser rauen Umgebung hat unser Partner IDEA Relief Esther getroffen.

Lesen Sie ihre erschütternde Überlebensgeschichte und erfahren Sie, wie Ihre Unterstützung Menschen wie Esther hilft, sich wieder zu erholen.

Die erste Flucht vor Boko Haram


„Es war ein Mittwoch im Februar 2018. Wie üblich machte ich gerade meine Sojadonuts und unterhielt mich mit meiner Schwägerin. Meine beiden ältesten Söhne waren draußen, um im Busch Holz zu holen, die anderen beiden Kinder holten Wasser im Dorf und mein Mann war ausgegangen. Ich war sehr auf meine Arbeit konzentriert, als ich plötzlich ALLAH – AKBAR hörte! Das war das Signal für die Ankunft von Boko Haram.

„Ich kann die Gefühle, die mich in diesem Moment überkamen nicht beschreiben, aber ich verhielt mich wie ein Roboter. Ich bin ganz schnell aufgestanden und zu meinem Haus gerannt, um meinen kleinen Jungen zu holen. Ich nahm ihn auf den Arm und rief die Namen seiner Brüder. Überall schrien und rannten Leute herum. Ich wusste nicht, was ich tuen oder wohin ich gehen sollte. Ich war in Panik, und ehrlich gesagt, hatte ich nicht einmal die Kraft, um mich zu bewegen.

„Einige maskierte und bewaffnete Männer tauchten auf und begannen von allen Seiten zu schießen. Mein älterer Bruder rief mir zu, ich solle mit den Kindern weglaufen und den fliehenden Menschen folgen; also rannte ich wie alle anderen los. Ich hatte meinen jüngsten Sohn auf den Rücken gebunden, die anderen beiden hielt ich fest an den Händen. Irgendwann merkte ich, dass meine ältesten beiden Söhne nicht bei mir waren, aus mütterlichem Instinkt heraus blieb ich stehen. In diesem Moment sah ich, wie meine Brüder ermordet wurden; ich schrie so laut, dass meine Kinder anfingen zu weinen. Ich weiß nicht wie, oder mit welcher Energie, aber ich begann zu rennen. Leider konnte ich nicht mehr umkehren.“

Esther und ihre Familie entkamen nur knapp und flüchteten zusammen mit anderen Familien in den Wald. Vier Tage lang war sie auf der Flucht; vier Tage, in denen Wasser, Nahrung und all die kleinen Dinge im Leben die geringste ihrer Sorgen waren.

Ich weiß nicht wie, oder mit welcher Energie, aber ich begann zu rennen.“

Keinen Ort zum hingehen


Ab diesem Zeitpunkt war Esther mit ihren drei Kindern auf sich allein gestellt und wusste nicht, wohin sie gehen oder wie sie sie ernähren sollte.

Wir schliefen auf dem Boden, im Gras und vermieden es in der Nacht Feuer zu machen, aus Angst, von unseren Angreifern entdeckt zu werden. Die Nächte waren eiskalt, da wir nichts hatten, um uns zuzudecken. Die meisten Anwesenden waren Frauen und Kinder, denn viele der Männer waren brutal ermordet worden.

„Mein Bruder wurde vor meinen Augen und den Augen meiner Kinder getötet. Meine beiden kleinen Schwestern und Schwägerinnen wurden entführt, und von meinem Mann und meinen ältesten Söhnen hatte ich keine Nachricht. Ich dachte eigentlich, ich hätte das Schlimmste hinter mir, aber dann kamen meine Träume und ich hielt sie für die Realität.

„Wir verbrachten zwei Wochen im Busch und hofften, dass Boko Haram unser Dorf verlassen würde, sodass wir zurückkehren könnten. Wir hatten dort unsere Sachen und waren nicht bereit, alles zu verlieren. Ich hatte beschlossen nach Hause zurückzukehren, vor allem in der Hoffnung, den Rest der Familie zu finden, aber wieder einmal kamen unsere Feinde aus dem Nichts, um uns erneut zu terrorisieren.“

Der Weg nach Kamerun


„Mein Leben war nun ein täglicher Kampf; wieder einmal nahm ich meine Kinder und lief weg. Dieses Mal flohen wir in ein Dorf an der Grenze zu Kamerun. Dort angekommen erwartete mich eine unglaubliche Überraschung – ich fand meinen Mann und meine beiden Söhne, die durch einen glücklichen Zufall auf ihrer verrückten Flucht wieder zusammen- und in diesem Dorf Zuflucht fanden. Mein Mann und meine Kinder wohnten in einer kleinen, behelfsmäßigen Hütte, die man ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Wir lebten dort zwei Monate lang.“

Esther hatte Glück, wieder sicher mit ihrer Familie vereint zu sein, doch ihr neues Leben war alles andere als angenehm. Sie lebten in der ständigen Angst vor einem erneuten Angriff. In der Nacht hörte Esther in der Ferne Schüsse, Explosionen und Schreie, die darauf hindeuteten, dass nahegelegene Dörfer angegriffen wurden.

Esther und ihr Mann beschlossen daher, nach Kamerun zu gehen, um dort Zuflucht zu suchen.

Als die Familie in Kamerun ankamen, wohnten sie bei zwei Gastfamilien. Deren Häuser waren hinter einem Militärlager gebaut, sodass sie sich relativ sicher fühlten. Um zu überleben, arbeiteten Esther und ihr Mann auf den Feldern und verkauften Holz. Ihr Mann schaffte es, etwas Geld anzusparen und ihnen ein kleines Lehmhaus zu bauen, in dem sie mehr als ein Jahr lang lebten, bevor das Chaos erneut auf sie niederbrach.

„In einer dunklen Nacht, als alle schliefen, wurden wir plötzlich von einem ohrenbetäubendem Lärm geweckt, den wir unter tausend anderen wieder erkannt hätten: Schüsse. Wieder einmal hatten sie uns gefunden. Ich hatte es satt wegzulaufen, wieder wegzulaufen und mein Leben wieder von neuem zu beginnen. Aber wir mussten weglaufen, ohne zurückzuschauen und alles zurücklassen.“

Ich hatte mein Baby auf dem Arm, ich war im dritten Monat schwanger, aber ich rannte wie eine Olympiasiegerin. Wieder konnten wir nicht mitnehmen, keine Kleidung, kein Essen, kein Geld. Und wieder einmal flüchteten wir in den Wald.“

Ankunft im Minawao Camp


Im Februar 2021, nach einer langen und beschwerlichen Reise, erreichten Esther und ihre Kinder das Minawao Camp. Der schwierigste Teil war geschafft – überleben und einen Ort finden, an dem sie sich sicher fühlen können.

„Ich verbrachte etwa einen Monat im Transitzentrum, bevor ich das Communityzentrum erreichte, und dann bekam ich endlich mein eigenes Zelt. Ich war so froh, wieder etwas Platz für meine Familie zu haben. Ich hatte das Privileg, während des kalten Regens, warme Nächte zu verbringen. Ich habe Eimer, um Wasser zu fassen und ich habe genug Licht, um mein Zuhause zu beleuchten.

„Ich war sehr erleichtert. Die Hilfe die ich von IEDA Relief und ShelterBox erhalten habe, hat meine größten Erwartungen übertroffen.

„Ich habe mich sehr über das Kochset gefreut. Es ist schön und nützlich für meine Küche. Ich liebe mein Zelt sehr; es ist geräumig und ich kann sogar Zimmer darin einrichten. Ich schlafe mit meinem jüngsten Kind in einem Raum und die anderen Kinder teilen sich dir restlichen Abschnitte. Bis jetzt schützt mich mein Zelt vor jedem Wetter, auch wenn die Temperaturen tagsüber recht hoch sind. Dennoch ziehe ich es oft vor, draußen unter dem Baum zu sitzen, um die frische Luft zu genießen.

Wir unterstützen Menschen in Kamerun und darüber hinaus

Esther ist eine von über 1,5 Millionen Geflüchteten, Asylsuchenden und Binnenvertriebenen, die in Kamerun derzeit dringend Hilfe benötigen. Wir sind entschlossen, eine Welt zu schaffen, in der keine Familie angesichts einer Katastrophe oder eines Konflikts ohne Obdach bleibt.

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit noch heute.

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